Wir wachen bei stark bedecktem Himmel und 10° Außentemperatur auf, frühstücken, packen Regenkleidung ein und wandern los – in die gleiche Richtung wie am Vortag, doch auf der anderen Flussseite. Leider finden wir nirgendwo Wegbeschreibungen. Weiß-Rot-weiße Wegmarkierungen scheinen für alles zu gelten. Bald stehen wir erneut vor einer Furt. Ein zufällig vorbeikommender Albaner erklärt gestenreich, wie wir ohne nasse Füße über den Nebenfluss kommen: ein Stück bergauf gibt es eine Brücke, die man von unten nicht erahnen kann.
Immer öfter kommt die Sonne hervor. Knabenkraut, Thymian, blühenden Wiesen vor noch schneebedeckten Berggipfeln am Horizont sind echte Hingucker.
Plötzlich wird der Weg sehr matschig. Wir entdecken, dass unter Steinen Wasser mit Macht nach oben drückt. Nach Wegnahme einiger Steine schießt eine regelrechte Fontäne einen Meter in die Höhe. Wieder einmal ein völlig neues Erlebnis. https://weltenbummler.familiemartin.de/wp-content/uploads/sites/6/2021/05/PXL_20210528_095811338.mp4
Inzwischen sind wir 4 Kilometer gelaufen, würden gerne die Flussseite wechseln, sehen auch eine Brücke in der Ferne, doch vorher versperrt uns erneut ein Seitenarm den Weg. Wir gehen aufwärts am Bach entlang auf der Suche nach einer Überquerungsmöglichkeit. Plötzliches Grunzen neben uns lässt uns auf eine Schweinefamilie aufmerksam werden, die den Bachlauf hier an wadentiefer Stelle durchquert. Stiefel aus- Hosenbeine hochkrempeln und hinterher – oder weitergehen und eine bessere Lösung finden ? Wir entscheiden uns fürs Weitergehen.
Lautes Motorengeräusch macht uns auf einen uralten, klapprigen, aber sehr hochbeinigen IFA Lkw aus DDR-Produktion aufmerksam. Der Fahrer kennt auch keine Brücke bachaufwärts, bietet uns aber an, uns auf seiner Weiterfahrt durch zweite Furten mitzunehmen auf die andere Seite der Vermosh – alles in Zeichensprache. Mein respektvolles „Uiiiih“ als die Tür in etwa 1,40m Höhe aufgeht, entlockt ihm ein Schmunzeln und er wiederholt grinsend“ Uiiiih“. Jürgen macht Räuberleiter, ich suche krampfhaft nach einem Griff zum Hochziehen und mit einem dicken blauen Fleck am linken Oberarm lande ich auf dem Motorblock. Jürgen schafft den Einstieg ohne fremde Hilfe. Mit pneumatisch zugeschaltetem Allrad und Differentialsperren schaukeln wir trockenen Fußes durch 2 Bachbetten. Das Aussteigen geht etwas leichter. Mit einem eleganten Sprung in Jürgens Arme verlasse ich das Fahrzeug. „Faleminderit – Danke !“ https://weltenbummler.familiemartin.de/wp-content/uploads/sites/6/2021/05/PXL_20210528_104239264.mp4
Nach 10 Kilometern und 3 Stunden sind wir wieder zurück am Wohnmobil, können uns nochmal davon überzeugen, dass es dem Lämmchen und seiner Mutter gut geht und fahren wieder talwärts.
Zwischen Lepushe und Selce halten wir bei einem neu erbauten hübschen Restaurant und essen dort um 17 Uhr in der Abendsonne auf der Aussichtsterrasse zu Abend. Das angebot der Wirtin, auf ihrem Parkplatz zu übernachten nehmen wir gerne an.
Am Nachbartisch sitzen zwei deutlich aufgebrezelte junge Damen mit einem Herrn Mitte 30, der sich offensichtlich fühlt wie der Hahn im Korb. Wir wollen gerade ins Womo aufbrechen, als beide Damen zu uns an den Tisch kommen und uns in gutem Deutsch ansprechen: „Wir haben deutsche Sprache gehört. Dürfen wir Sie an unseren Tisch einladen. Wir wollen Sie aber nicht stören !“ Wir schauen uns kurz an, nehmen unsere Gläser und setzen uns mit an den Nachbartisch. Die jungen Leute erzählen uns von der Verbundenheit der Menschen im Kosovo, wo auch die beiden Damen herkommen (Pristina) mit den Albanern und der aus ihrer Sicht absoluten Notwendigkeit sich im Balkankrieg von den als Unterdrückern empfundenen Serben zu befreien. Ana, die Ältere der Beiden, lebte als Flüchtlingskind mit Ihren Eltern in Deutschland und lernte gut Deutsch. Im Kosova studiert Sie Jura ( Master) und will in Neustadt an der Saale das deutsche Examen erwerben und Anwältin werden. Ihr Freund, Gezim, Albaner, lebt seit 3 Jahren in Leipzig und betreibt dort 2 Spielotheken. In Coronazeiten sind diese geschlossen und er lebt vorübergehend bei seiner Familie in der Nähe von Tamare, 5 km von hier entfernt, wo sein Vater ein Hotel mit 4 Zimmern betreibt und ein neues baut.
Die Region macht wirklich den Eindruck, als würde sie für einen sanften Tourismus hergerichtet mit kleinen Gästehäusern, Pensionen und hübsch angelegten Dorfplätzen.
Am nächsten Morgen starten wir bei blauem Himmel weiter talwärts, entdecken zwei kleine Wasserkraftwerke und Forellenzuchtanlage.
Die Berghänge beidseits der Straße sind mit wildem Salbei und blühenden Granatapfelbüschen bewachsen. Im nächsten Dorf sehen wir regelrechte Salbeikulturen auf großen Feldern. Um 12 Uhr sind wir zurück auf dem Campingplatz und kurz darauf läuft die Waschmaschine.